Hunter & Peggy 1 – Eine unsägliche Geschichte

Egal wie bescheuert man ist, egal was für einen Schrott man in einem Anfall von geistiger Umnachtung gekauft hat, es wird immer jemanden geben, der scharf darauf ist. Wir nennen es das Prinzip des größeren Idioten. Im Grunde basiert eBay auf genau diesem scheinbar fundamentalen Naturgesetz. Wenn man sich auf deren Webseite eine umschaut, beginnt man zu verstehen, warum die Welt ein so seltsamer Ort ist und eines schönen Tages von Außerirdischen ausradiert werden wird. Wir verdienen es nicht besser. Die Zeit und Energie, die Menschen auf extremen Schwachsinn verschwenden, statt sich dringlicheren und nützlicheren Aufgaben zu widmen, ist beeindruckend.

Dabei reflektiert eBay nur eine Seite der Medaille, den materiellen Aspekt. Das Prinzip des größeren Idioten funktioniert auch anderswo, im alltäglichen Leben zum Beispiel. Egal wie dämlich man sich anstellt, es wird immer jemanden geben, der einen über- bzw. unterbietet. Das klappt solange, bis man den König trifft, den größten Idioten von allen. Und damit kommen wir zum Helden dieser Geschichte: Hunter.

Peggy konnte sich nicht mehr genau erinnern, wann sie Hunter das erste Mal traf, doch es war eine schicksalhafte Begegnung. Sie liebte exotische Typen und nicht nur in der Hinsicht war Hunter ein besonderes Exemplar. Den Typen musste man erlebt haben, um zu glauben, dass er existiert. Nun bedurfte es keines Genies, um heraus zu finden, dass Hunter nicht unbedingt der Hellste war, allerdings dauerte es ein paar Tage bis sie merkte, auf was für einen Schatz sie da gestoßen war.

Hunter war offensichtlich etwas unterbelichtet, litt unter Geschmacksverirrung und ihn einen gottlosen Säufer zu nennen wäre eine krasse Untertreibung, doch das allein war es nicht. Hunter kannte keinerlei Limit, keine Selbstbeschränkung, er hatte geradezu eine Aura des Schrecklichen. Das begann mit seiner Kleidung und endete mit dem Müll, den er den ganzen Tag von sich gab. Dabei verstrahlte er eine gewisse Erhabenheit, Einzigartigkeit. Als sie das erste Mal in seine Wohnung betrat, wurde ihr schlagartig bewusst, was ihn so besonders machte. Sie hatte einen echten Volltreffer gelandet. Hunter war nicht irgendein Idiot, sie hatte den König kennen gelernt.


Nasser Perser?, fragte Peggy. Er sieht aus wie ein nasser Perser? Was soll das wieder heißen? Hunter blickte Peggy einen Moment lang ins Gesicht. Er hatte sich lange daran gewöhnt, dass sie nicht zuhörte, wenn er ihr etwas erzählte, doch das war selbst für ihn zuviel. Da erklärte er ihr seit einer halben Stunde lang, wer Ron Jeremy ist und dann fragt sie ihn nach nassen Persern.

Ich sagte: Er sieht aus wie ein Perverser! Ron Jeremy sieht aus wie ein ständig schwitzender, unmäßig behaarter und leicht übergewichtiger Perverser und genau deshalb ist er der größte Pornostar aller Zeiten. Was ist daran schwer zu verstehen?

Obwohl Peggy ein steter Quell der Inspiration war, würde sie ihm ein ewiges Rätsel bleiben. Eigentlich wusste er nichts über sie. Dabei redete sie praktisch pausenlos. Sie hatten sich allerdings gleich am Anfang darauf geeinigt, dass er nicht zuzuhören brauchte, solange er ein gelegentliches aha oder ja, ja einstreute. Seitdem das geklärt war, verstanden sie sich prächtig. Ein solches Missverständnis hatte es noch nie gegeben.

Peggy entschuldigte sich. Du weißt, sagte sie, bei jedem anderen hätte ich den Satz wahrscheinlich ergänzt, obwohl ich etwas völlig anderes verstanden habe, aber bei dir kann man sich nicht sicher sein. Dir würde ich mühelos zutrauen, dass du wirklich nasser Perser sagst.

Hunter war sich nicht sicher, ob das jetzt ein Kompliment sein sollte, oder sie ihn wieder mal verarschen wollte. Das eigentliche Problem war auch nicht das Missverständnis, das Problem war, dass Peggy ihm mit ihrem nassen Perser einen Floh ins Ohr gesetzt hatte. Plötzlich sah Hunter überall nasse Perser und für seine Verhältnisse war er relativ nüchtern.

So wie sie beide aussahen, machte es natürlich keinen großen Unterschied, ob sie hier und da in scheinbar grundloses Lachen ausbrachen. Die meisten Leute dürften ohnehin gedacht haben, sie kämen frisch aus der Anstalt. Allerdings war das natürlich nur die Oberfläche. Hunter, tief in seinem kleinen Herzen, war ein Genie.

Er stand nur Millimeter vor der Formulierung seiner großen These. Heute wäre der Tag gewesen, der Moment der Erleuchtung, der Verkündigung, Enthüllung, der Befreiungsschlag, der Moment der Wahrheit in dem Hunter sich von all dem Ballast hätte befreien können, den er seit Jahren mit sich herum schleppte. Und dann kommt Peggy mit ihren nassen Persern.

Zum Heulen war’s, aus die Maus, Ende im Gelände, der Schwanz ist ab, Ruhe im Schuh, Schicht im Schacht, Kwasinietzki, des wird nix mehr, das Pony ist tot, der Elch geritten, … das Einzige was Hunter heute noch formulieren würde, wären berühmte letzte Worte. Es lebe der Genitiv, des Schusters Alte hat ne Meise, zum Munde der Krug bis du brichst.

Es war jedes Mal dasselbe. Da wollte er die Welt retten und dann funkte ihm irgendjemand im letzten Moment dazwischen. Die Geschichte seines Lebens. Zeit, sich einem lieb gewordenen Ritual zu widmen. Es mag Leute geben, die mehr trinken als Hunter, allerdings blieb die Professionalität, mit der er sich besoff unerreicht. Zum Glück waren sie endlich am Ziel ihres kleinen Spaziergangs. So würdevoll wie ihnen nur irgend möglich, betraten sie die Bar.